Natürlicher Babyschlaf

Babyschlaf aus Sicht der Natur

«Schläft es schon durch?» Welche Eltern kennen diese Frage nicht? Schon von wenigen Wochen alten Babys wird heute erwartet, dass sie abends ganz von selber zufrieden im eigenen Bettchen einschlafen und erst am nächsten Morgen wieder von sich hören lassen. Was im ersten Moment ganz toll klingt, ist alles andere als natürlich und kann fürs Baby sogar nachteilig sein. Babys, die nicht allein ein- und durchschlafen haben keine Schlafprobleme, sie schlafen genau so, wie die Natur es - aus guten Gründen - vorgesehen hat.

 

Warum schlafen Babys nicht alleine ein und durch? Unsere Babys kommen mit einem Steinzeit-Programm zur Welt. Die Menschen damals zogen von Ort zu Ort, schliefen am Lagerfeuer und überall lauerten wilde Tiere. Keiner Mutter wäre es in den Sinn gekommen, ihr Baby irgendwo allein zum Schlafen hinzulegen. Und kein Baby, das einen gesunden Überlebensinstinkt hat, hätte sich ohne Protest in der Wildnis ablegen lassen. Ein Baby ist im Schlaf allen Gefahren völlig ausgeliefert. Es hätte erfrieren, von einer Schlange gebissen oder von einem Tier verschleppt werden können. Es hätte verhungern oder zurückgelassen werden können.

 

Aus diesem Grund sehnt sich das Baby nach der sicheren Nähe, sobald es müde wird. Es schläft nicht so tief wie wir Erwachsenen und in der Nacht wacht es immer wieder auf und prüft, ob die Mutter noch da und somit alles sicher ist. Häufiges Erwachen ist ein sinnvoller Überlebensinstinkt - und dieser funktioniert bis heute.

Zum Glück lauern in der warmen Wohnung keine Säbelzahntiger mehr. Dennoch ist es für die Entwicklung des Babys von Vorteil, wenn es nicht die ganze Nacht wie ein Stein durchschläft:

  • Nächtliche Milchmahlzeiten im ersten Lebensjahr sind wichtig für die Gehirnentwicklung des Babys.
  • Nächtliches Stillen regt zudem die Milchproduktion an.
  • Zusätzliches Stillen / Füttern oder Kuscheln in der Nacht stärkt die Bindung zwichen Mutter und Baby.
  • Zu tiefer Schlaf kann fürs Baby sogar gefährlich werden: Es kann Gefahren nicht mehr wahrnehmen; wacht nicht auf, wenn es Hunger oder Durst hat, wenn ihm zu heiss oder zu kalt ist oder - im allerschlimmsten Fall - wenn es Atemaussetzer hat. (Plötzlicher Kindstod)

Warum Steinzeitbabys keine Schlafprobleme hatten

Nicht nur die Nacht lief in der Steinzeit anders ab als heute. Auch der Tag sah für ein Baby anders aus:

 

Während unsere modernen Babys viel Zeit in der Wohnung verbringen, ihr natürlicher Rhythmus durch künstliches Licht durcheinander gerät und sie häufig liegend im Kinderwagen oder Maxicosi transportiert werden, waren Steinzeitbabys den ganzen Tag draussen. Sie tankten frische Luft und viel Tageslicht, was sehr wichtig ist für guten Nachtschlaf. Sie wurden am Körper eines Erwachsenen getragen, was ihre Muskeln beanspruchte und sie körperlich müde machte. Und sie lebten in einem Clan. Das heisst, sie wurden tagsüber von verschiedenen Personen betreut und von ihnen auf verschiedene Arten in den Schlaf begleitet. So lernten sie ganz automatisch verschiedene Wege in den Schlaf kennen. Und - ganz wichtig - der Clan bot den Eltern Unterstützung! Sie waren nie allein mit dem Baby und konnten Tag und Nacht auf Hilfe zählen.

 

Viele der heutigen Probleme werden erst zu Problemen, weil unser modernes Leben nicht mehr zu den Bedürfnissen des Säuglings passt. Wir wollen uns nachts erholen, da wir am nächsten Tag fit für die Arbeit sein müssen oder allein für das Baby, den Haushalt und die Betreuung der Geschwisterkinder verantwortlich sind. Das ist verständlich. Und doch ist es wenig sinnvoll, den natürlichen Babyschlaf verändern zu wollen.

 

Vielmehr gilt es, kreative Lösungswege zu finden, wie Eltern mit dem Schlafverhalten des Babys umgehen können, so dass sie bei Kräften bleiben.

Vielleicht relativieren sich einige "Probleme" auch, wenn wir unsere Erwartungen anpassen. Dafür hilft ein Blick in andere Kulturen. Es wird nämlich durchaus nicht überall von einem Baby das gleiche erwartet. Während hierzulande ein regelrechter (Wett-) Kampf herrscht und ein frühes Ein- und Durchschlafen (fälschlicherweise!) als Zeichen erfolgreicher Erziehung zur Selbständigkeit angesehen wird, sind die Erwartungen andernorts viel entspannter. In Puerto Rico zum Beispiel gehen die Eltern davon aus, dass ein Kind mit etwa fünf Jahren allein ein- und durchschläft.

Tipps für sanften Babyschlaf

 Ein Baby muss nicht "schlafen lernen", es kann von Geburt an schlafen - vielleicht  nicht genau so, wie wir das gern hätten, aber genau so wie es von der Natur aus guten Gründen eingerichtet wurde. Babys sind perfekt, so wie sie sind.

 

Unsere Tipps:

  • Achte bereits tagsüber auf eine möglichst natürliche Umgebung fürs Baby: Tageslicht und viel Bewegung (Tragen statt Schieben!) in der Natur macht die Babys müde.
  • Entschleunigt eure Nachmittage und Abende. Legt Termine auf den Morgen und sorgt dafür, dass das Baby abends herunterfahren kann.
  • Achte auf die Müdigkeitszeichen (Baby vermeidet Blickkontakt, reibt Augen/Ohren, bewegt sich langsamer und unbeholfener, gähnt) und erwische ein passendes Schlaffenster.
  • Hilf deinem Baby beim Einschlafen. Damit es nicht zu sehr von einer einzigen Einschlafhilfe abhängig wird, zeigst du ihm am besten, dass es auf verschiedene Arten in den Schlaf finden kann: Mal trägst du es, mal stillst du, mal legst du es hin und singst.
  • Gib dem Baby das Urvertrauen, dass du jederzeit für es da bist. Auch in der Nacht.
  • Lass dein Baby bei dir schlafen. So musst du nicht aufstehen, wenn es dich braucht und dein Schlafrhythmus gleicht sich dem des Babys an - so wirst du nicht aus dem Tiefschlaf gerissen. Achte dabei auf sicheres Co-Sleeping!
  • Entspannte Babys schlafen besser. Setze es tagsüber möglichst wenig Reizen aus (zum Beispiel indem du es trägst, statt es im Kinderwagen zu schieben). Wenn es abends viel weint, um Reize abzubauen oder Gedanken, Gefühle, Traumata etc. zu verarbeiten, dann versuche es nicht durch Wiegen/Schaukeln/Nuggi etc. vom Weinen abzuhalten, sondern begleite es einfühlsam dabei. Setz dich mit ihm hin, halte es im Arm, sei für es präsent, hör ihm zu. Babys die sich auf diese Weise in den Armen der Eltern ausweinen dürfen, sind danach oft entspannt und schlafen tief.

Der Babyschlaf kann Eltern vor viele Herausforderungen stellen. In einer Schlafberatung schauen wir eure ganz individuelle Situation an und suchen gemeinsam nach sanften und bindungsorientierten Lösungen für dich und deine Familie.


Warum Schlaftrainings nicht zu empfehlen sind

Wenn man einmal verstanden hat, wie Babys schlafen, wird schnell klar, dass ein Baby selten ein Schlafproblem hat. Unser zivilisiertes Leben und der nicht mehr so natürliche Umgang mit dem Baby legen ihm lediglich einige Stolpersteine in den Weg. Diese gilt es so gut es geht zu eliminieren und das Thema Schlaf wieder so natürlich wie möglich zu gestalten.

 

Daher macht es wenig Sinn, am Schlaf des Babys etwas verändern zu wollen und es im schlimmsten Fall mit einem Schlafprogramm dazu zu bringen, alleine ein- und durchzuschlafen. (Was ja wie erwähnt gar nicht erstrebenswert ist, da zu tiefer Schlaf gefährlich fürs Kind und nachteilig für die Entwicklung sein kann.)

Insbesondere Schlafprogramme, bei denen das Baby alleine schreien gelassen wird, können schwerwiegende Folgen haben. Die Ferber-Methode, die im bekannten Buch "Jedes Kind kann schlafen lernen" propagiert wird, ist leider immer noch sehr verbreitet, denn sie funktioniert - wenn die Eltern es denn schaffen, diese grausame Methode tatsächlich durchzuhalten. Auch wenn es auf den ersten Blick so aussieht, als hätte das Kind gelernt zu schlafen, wird bei genauerem Betrachten klar: Das Kind hat nur gelernt zu resignieren. Es schreit nicht mehr nach Mama, wenn Mama einfach nicht kommt. Das Kind lernt damit zu leben, dass seine Bedürfnisse (hier nach Sicherheit, Geborgenheit, Nähe) nicht ernst genommen werden. Diese sogenannte "erlernte Hilflosigkeit" kann die Persönlichkeit des Kindes tiefgreifend verändern. Es gibt sogar starke Hinweise darauf, dass eine dauerhafte Veränderung im Gehirn stattfindet und das Kind reaktiver, schneller gestresst und ängstlicher wird.

 

Was passiert, wenn sich ein Baby allein in den Schlaf schreien muss?

  • Der Stress-Abbau wird blockiert und statt Schlafhormonen werden Stresshormone ausgeschüttet, die das Einschlafen noch schwieriger machen. Ein gestresstes Baby schreit oft auch tagsüber mehr.
  • Der Vagus-Nerv, der dafür zuständig ist, den Körper herunterzufahren und in den "Schlafmodus" zu schalten, kann nicht agieren (und im Übrigen auch nicht reifen!). Das Kind befindet sich im Alarmzustand und hat enormen Stress.
  • Das Immunsystem wird gedrosselt, was dazu führen kann, dass das Kind häufiger krank wird.
  • Die Bindung zwischen Eltern und Kind wird geschwächt, was sich negativ auf Selbständigkeit und Selbstvertrauen des Kinder auswirkt.

Was ist die Alternative? Das Baby macht nichts falsch. Es muss also nicht am Baby "herumgedoktert" werden. Viel sinnvollere Stellschrauben sind: der Tagesablauf, die Schlafumgebung, das Abendritual, die Schlafbrücken, die eigenen Erwartungen & Einstellungen. Je artgerechter und natürlicher unser Leben wieder wird, desto einfacher wird das Schlafen.

Buchtipps rund ums Thema Babyschlaf

Literatur zum Thema Babyschlaf gibt es viele. Wir vom Herz an Herz haben dir Bücher zusammengestellt, die das Thema Schlafen bindungs- und bedürfnisorientiert anschauen. Sie klären vor allem auf, warum Babys so schlafen wie sie schlafen und zeigen dir sanfte Wege in den Babyschlaf.